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Struktur schaffen, ohne den Charakter zu verlieren – Ein Blick in die Praxis

  • Writer: Gloria Chan
    Gloria Chan
  • Apr 29
  • 2 min read

Updated: May 18

Struktur schaffen, ohne den Charakter zu verlieren – Ein Einblick in meine Arbeit

Im Rahmen meiner Tätigkeit als Interior Designer begegnen mir regelmäßig Wohnräume, die auf den ersten Blick stimmig wirken, aber bei genauerem Hinsehen ein ungenutztes Potenzial offenbaren. So auch bei einer Dachgeschosswohnung, die ich im Zuge einer anstehenden Wiedereinrichtung begleiten durfte. Die Bewohnerin lebte bereits seit Jahren gern in ihrer Wohnung und hatte eine emotionale Bindung zu dem offenen Raum entwickelt. Nach einer umfassenden Renovierung stand sie vor der Aufgabe, die leergeräumte Wohnung neu zu gestalten. Dabei wünschte sie sich keine radikale Veränderung, sondern eine Weiterentwicklung des bestehenden Wohngefühls – mit dem Ziel, dem Raum mehr Struktur zu verleihen, ohne seine vertraute Atmosphäre zu verlieren.


Architektur lesen und Potenziale erkennen

Beim ersten Besuch wurde mir schnell klar, dass der Raum viel mehr kann, als auf den ersten Blick sichtbar war. Besonders in offenen Wohnkonzepten wie diesem ist es wichtig, nicht nur Möbel zu platzieren, sondern die Architektur zu lesen: Wo entstehen natürliche Blickachsen? Welche Bereiche laden zum Verweilen ein? Wo ergeben sich durch Dachschrägen, Lichtführung oder Durchgänge gestalterisch relevante Teilräume? Diese Fragen stehen im Zentrum meiner Arbeit – und genau an diesem Punkt setzte auch mein Ansatz an. Ich zeigte der Bewohnerin auf, wie sich aus dem scheinbar einheitlichen Raum verschiedene Zonen herauslesen lassen, die in Beziehung zueinander stehen. Es war nicht nötig, große Umbauten vorzunehmen – vielmehr ging es darum, vorhandene Elemente gezielter einzusetzen, einzelne Möbel neu zu positionieren und an wenigen Stellen durch passende Ergänzungen Akzente zu setzen.


Wohnen mit Struktur – aber ohne Starre

Das Ziel meiner Beratung ist nie ein starres Endergebnis, sondern ein lebendiger Raum, der auf die Bedürfnisse seiner Bewohner reagiert. In diesem Fall bedeutete das: eine klare, aber flexible Struktur zu schaffen. Die neu entwickelte Raumaufteilung erlaubt es der Bewohnerin, jederzeit kleinere Veränderungen vorzunehmen, ohne dass das gestalterische Konzept aus dem Gleichgewicht gerät. Auch in alltäglichen Situationen – wenn beispielsweise einmal nicht alles aufgeräumt ist – bleibt der Raum in sich stimmig. Die Teilbereiche behalten ihre Orientierung und ihr Verhältnis zueinander bei, was für ein durchgehend harmonisches Wohngefühl sorgt. Die Rückmeldung meiner Kundin, dass sich die Wohnung nun wie ein maßgeschneidertes Kleidungsstück anfühlt, hat mich besonders gefreut. Denn genau dieses Gefühl möchte ich mit meiner Arbeit erreichen: dass Menschen sich nicht nur eingerichtet, sondern wirklich zuhause fühlen.


Ein Zuhause, das trägt – weil es verstanden wurde

Solche Projekte zeigen sehr deutlich, dass Interior Design nicht mit der Auswahl von Möbeln beginnt – sondern mit dem Verstehen eines Raumes. Es geht darum, die Sprache der Architektur zu hören und sie mit der Persönlichkeit der Bewohner in Einklang zu bringen. Nur so entsteht ein Zuhause, das nicht wie aus dem Katalog wirkt, sondern authentisch, funktional und emotional stimmig ist. Für mich ist das die höchste Form der Gestaltung: wenn ein Raum nicht nur gefällt, sondern getragen wird – von den Menschen, die in ihm leben.

 
 
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